Laika Verlag

Bibliothek des Widerstands

Der Klassenkampf, der einem Historiker, der an Marx geschult ist, immer vor Augen steht, ist ein Kampf um die rohen und materiellen Dinge, ohne die es keine feinen und spirituellen gibt. Trotzdem sind diese letztern im Klassenkampf anders zugegen denn als die Vorstellung einer Beute, die an den Sieger fällt. Sie sind als Zuversicht, als Mut, als Humor, als List, als Unentwegtheit in diesem Kampf lebendig und sie wirken in die Ferne der Zeit zurück. Sie werden immer von neuem jeden Sieg, der den Herrschenden jemals zugefallen ist, in Frage stellen. Wie Blumen ihr Haupt nach der Sonne wenden, so strebt kraft eines Heliotropismus geheimer Art, das Gewesene der Sonne sich zuzuwenden, die am Himmel der Geschichte im Aufgehen ist. Auf diese unscheinbarste von allen Veränderungen muß sich der historische Materialist verstehen.




Wenn die Bekämpfer des Unrechts

Ihre verwundeten Gesichter zeigen

Ist die Ungeduld derer, die in Sicherheit waren

Groß.

Warum beschwert ihr euch, fragen sie

Ihr habt das Unrecht bekämpft! Jetzt

Hat es euch besiegt: schweigt also!

Wer kämpft, sagen sie, muß verlieren können

Wer Streit sucht, begibt sich in Gefahr

Wer mit Gewalt vorgeht

Darf die Gewalt nicht beschuldigen.

Ach, Freunde, die ihr gesichert seid

Warum so feindlich? Sind wir

Eure Feinde, die wir Feinde des Unrechts sind?

Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind

Hat das Unrecht doch nicht recht!

Unsere Niederlagen nämlich

Beweisen nichts, als daß wir zu

Wenige sind

Die gegen die Gemeinheit kämpfen

Und von den Zuschauern erwarten wir

Daß sie wenigstens beschämt sind!




Ravachol wurde als Sohn des niederländischen Arbeiters Jean Adam Koënigstein und der Französin Marie Ravachol in Saint-Chamond in der Nähe von Saint-Étienne im Osten Frankreichs geboren. Er trug den Namen seiner Mutter, da sein Vater ihn zunächst nicht anerkannte. Harte Arbeit von Kindesbeinen an und das Leben in einer Gesellschaft mit großen sozialen Unterschieden prägten seine politische Einstellung bereits früh und machten aus ihm einen überzeugten Atheisten und Sozialisten. Später schloss er sich deranarchistischen Bewegung an. Es wird berichtet, er habe zeitweilig ein Leben als Fälscher und Schmuggler gefristet. 1891 wurde er verhaftet und des Mordes an einem Einsiedler angeklagt. Er bestritt die Tat, bekannte jedoch einige Diebstähle und Grabräubereien. 1892 konnte er fliehen.
Am 1. Mai 1891 hatte die französische Regierung in Fourmies Maschinengewehre gegen einen friedlichen Demonstrationszug einsetzen lassen, wobei 14 Menschen getötet und 40 verletzt worden waren. Am selben Tag war die Polizei in Clichy gegen sechs demonstrierende Anarchisten vorgegangen, die sich mit Waffengewalt verteidigt hatten. Sie waren dafür zu hohen Haftstrafen und Zwangsarbeit verurteilt worden. Als Racheakt legte Ravachol am 11. März 1892 eine Bombe im Haus des vorsitzenden Richters von Clichy und am 27. März im Haus des Staatsanwalts. Noch im selben Monat verübte er einen weiteren Bombenanschlag in der Lobau-Kaserne in Paris, wo die Einheit stationiert war, die für dasMassaker von Fourmies verantwortlich war. Bei den drei Attentaten entstand hoher Sachschaden.
Ravachol wurde in einem Restaurant verhaftet, wo er einem Ober aufgefallen war. Am Vorabend der Verhandlung gegen ihn, die am 26. April begann, wurde der Restaurantbesitzer getötet, als dort ebenfalls eine Bombe detonierte. Dies war der Auftakt zu einem längerwährenden Kleinkrieg zwischen den Anarchisten und der Regierung.
Das erste Urteil gegen Ravachol lautete lebenslange Zwangsarbeit. Kurze darauf erschien der vielbeachtete Artikel von Octave Mirbeau über Ravachol in der von Zo d’Axaherausgegebenen anarchistischen Wochenschrift L'En Dehors Nr. 52 vom 1. Mai 1892. Zwei Monate später wurde er an seinen Heimatbezirk Montbrison ausgeliefert, wo die frühere Mordanklage verhandelt wurde. Das Urteil lautete Tod durch die Guillotine. Als es verkündet wurde, soll er ausgerufen haben: "Vive l'anarchie!". Ravachol wurde in Montbrison von Scharfrichter Louis Deibler enthauptet und dort begraben.



Während seines Prozesses soll er folgendes gesagt haben:„Es ist die Gesellschaft, die Verbrecher hervorbringt. Anstatt auf sie einzuschlagen, solltet ihr Geschworene eure Intelligenz und eure Kräfte lieber dazu verwenden, die Gesellschaft zu verändern. Mit einem Streich würdet ihr so alle Verbrechen abschaffen. Und weil ihr die Ursachen bekämpft habt, werden eure Taten viel größer und fruchtbarer sein als eure heutige Justiz, die sich dazu erniedrigt, die Folgen zu bestrafen.“