Laika Verlag

Bibliothek des Widerstands

Der Klassenkampf, der einem Historiker, der an Marx geschult ist, immer vor Augen steht, ist ein Kampf um die rohen und materiellen Dinge, ohne die es keine feinen und spirituellen gibt. Trotzdem sind diese letztern im Klassenkampf anders zugegen denn als die Vorstellung einer Beute, die an den Sieger fällt. Sie sind als Zuversicht, als Mut, als Humor, als List, als Unentwegtheit in diesem Kampf lebendig und sie wirken in die Ferne der Zeit zurück. Sie werden immer von neuem jeden Sieg, der den Herrschenden jemals zugefallen ist, in Frage stellen. Wie Blumen ihr Haupt nach der Sonne wenden, so strebt kraft eines Heliotropismus geheimer Art, das Gewesene der Sonne sich zuzuwenden, die am Himmel der Geschichte im Aufgehen ist. Auf diese unscheinbarste von allen Veränderungen muß sich der historische Materialist verstehen.




Wenn die Bekämpfer des Unrechts

Ihre verwundeten Gesichter zeigen

Ist die Ungeduld derer, die in Sicherheit waren

Groß.

Warum beschwert ihr euch, fragen sie

Ihr habt das Unrecht bekämpft! Jetzt

Hat es euch besiegt: schweigt also!

Wer kämpft, sagen sie, muß verlieren können

Wer Streit sucht, begibt sich in Gefahr

Wer mit Gewalt vorgeht

Darf die Gewalt nicht beschuldigen.

Ach, Freunde, die ihr gesichert seid

Warum so feindlich? Sind wir

Eure Feinde, die wir Feinde des Unrechts sind?

Wenn die Kämpfer gegen das Unrecht besiegt sind

Hat das Unrecht doch nicht recht!

Unsere Niederlagen nämlich

Beweisen nichts, als daß wir zu

Wenige sind

Die gegen die Gemeinheit kämpfen

Und von den Zuschauern erwarten wir

Daß sie wenigstens beschämt sind!





"Menschen, ich hatte Euch lieb. Seid wachsam!" Diese Worte haben es in sich. Sie sind das Resümee eines antifaschistischen Widerstandes während der deutschen Okkupation in der Tschechoslowakei, eines kampferfüllten, aufklärerischen Lebens. Sie stehen auf dem letzten Kassiber mit der laufenden Nummer 167, gezeichnet: jef. Geschrieben am 9. Juni 1943 in der Zelle 267 des Gestapo-Gefängnisses Pankrac in Prag. Die "Reportage" bildet gewissermaßen den Abschluß, das Vermächtnis eines Kampfes, den der kommunistische Journalist und Schriftsteller Julius Fucik mit der Feder geführt hat. Am Morgen des 10. Juni kam Fucik "auf Transport". An Schreiben war nun nicht mehr zu denken. Wachmänner wie seine Landsleute Adolf Kolinsky und Josef Hora würde er im "Reich" nicht antreffen. Sie hatten ihm Papier und Bleistift in die Zelle gebracht, ihn "bewacht", während er schrieb, und die Kassiber hinausgeschmuggelt. Für diese Stückchen Papier, bemerkte Fucik, "riskieren sie ihren Kopf". Den Kopf des mutigen Tschechoslowaken, der sich auch durch Folter nicht von der antifaschistischen - niemals antideutschen - Haltung abbringen ließ, forderte nun Senatspräsident Roland Freisler vom Nazi- "Volksgerichtshof" beim Kurz-Prozeß am 25. August in Berlin-Moabit. In den frühen Morgenstunden des 8. September 1943 wurde Julius Fucik, gerade vierzig Jahre alt, in der Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee durch den Strang gemordet. Er war eines von 186 Opfern, die die Nazis in jener Nacht in einem Mordrausch gehenkt haben.

"Um eines bitte ich: Ihr, die ihr diese Zeit überlebt, vergeßt nicht. Vergeßt die Guten nicht und nicht die Schlechten. Sammelt geduldig die Zeugnisse über die Gefallenen. Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben.

Ich möchte, dass man weiß: dass es keine namenlosen Helden gegeben hat, dass es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnungen hatten, und dass  deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des ersten, dessen Name erhalten bleibt. Ich möchte, dass sie Euch alle immer nahe bleiben, wie Bekannte, wie Verwandte, wie Ihr selbst."
(Julius Fucik - "Reportage unter dem Strang geschrieben.")